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Markus Hover & Martin Sowa

Viele Skifahrerinnen und Skifahrer werden St. Corona am Wechsel schon deshalb nie vergessen, weil der alte Einersessellift handgestoppte 18 Minuten zum Gipfel brauchte. Ich habe das Skigebiet trotzdem gemocht, und als ich meinen damals sechsjährigen Sohn Paul einmal fragte, ob ihm die lange Liftfahrt nicht zu fad sei, meinte der nur: „Nein, da habe ich Zeit zum Nachdenken.“ Leider haben das nicht alle Gäste so entspannt gesehen, und irgendwann war klar, dass das Skigebiet so keine Zukunft mehr hatte. 2014 wurde es geschlossen, der legendäre Sessellift abgebaut.

Doch das Ende war zugleich ein Anfang: Damit St. Corona nicht ganz von der Skilandkarte verschwindet, wurde im Gegenzug der Kinderbereich ausgebaut. Das seit 1999 bestehende „Kinderland“ im Ortsteil Unternberg bekam den neuen Namen „Familienskiland“, es wurde erweitert und komplett neu ausgestattet. Auf einer Fläche von 42.000 Quadratmetern bietet es nun ideale Bedingungen für alle, die Skifahren lernen wollen; an Wochenenden und in den Ferien herrscht hier Hochbetrieb. „Letzten Samstag bin ich erst um 16 Uhr zum ersten Mal aufs Klo gegangen – und auch das nur, weil ich es nicht mehr ausgehalten habe“, erzählt der Mann beim Skiverleih. Aber auch heute, an einem ganz normalen Dienstag, ist ganz schön was los. Eine Volksschule aus der Umgebung ist zum Rodeln gekommen (Rodeln, Bobs und ähnliche Geräte können gratis geliehen werden), und auch die Skilehrerinnen und Skilehrer haben gut zu tun.

Als Ski-Schüler fängt man im Familienskiland ganz links an und arbeitet sich dann langsam nach rechts voran. „Der Hang ist von der Topografie her perfekt zum Lernen“, sagt Martin Sowa, einer der Skilehrer. „Ich habe schon in vielen Skischulen gearbeitet, und ich glaube, das hier ist eines der besten Kinderländer überhaupt.“ Blutige Anfänger beginnen zuerst einmal auf Plastikmatten, sich an die Skiausrüstung zu gewöhnen. Erst lernen sie, mit Skischuhen um eine Kurve zu gehen, dann mit einem Ski, dann mit beiden. „Man läuft sozusagen um die Kurve und kommt so vom Skilaufen zum Skifahren“, erklärt Martin. Auf die „Pizzaschnitte“ wird hier, wenn möglich, verzichtet. „Am schönsten wäre es, wenn die Kinder das Skifahren lernen, ohne den Pflug zu brauchen – oder nur im Notfall, zum Bremsen. Sie sollen vom Kurvengehen gleich ins Kurvenfahren kommen.“ Das klingt gut, es scheint aber zumindest nicht immer gleich zu funktionieren: Ein Bub, der gerade seine ersten Bogen macht, bedient sich dabei schon auch der verpönten Pflugstellung. Und hat der Skilehrer nicht gerade „Pizzaschnitte“ gesagt?!

Wir sind schon bei der – nach dem Trockentraining – nächsten Stufe, dem kleinen, neun Meter kurzen Förderband. Hier werden, auf sehr flachem Gelände, die ersten Skifahrversuche unternommen. Zuerst entlang der sogenannten Schlange, einem Schaumstoffband, das die Linie vorgibt; dann durch die „Lollys“ – drei, vier Tore in Form von großen Schleckern. Wer auch das beherrscht, ist reif für das große, 90 Meter lange Förderband, wobei die Kinder dort nicht gleich ganz nach oben fahren, sondern zuerst tiefere Ausstiege benützen. Die vierte und letzte Stufe ist schließlich der ganz rechts gelegene Tellerlift für die Fortgeschrittenen. Wer sich dafür qualifizieren will, muss zuerst den „Safety Check“ bestehen, wie Skilehrer Martin das nennt. „Sie müssen im steileren Teil der Piste drei, vier Kurven fahren und seitlich abbremsen können.“ Die schon etwas besseren Fahrerinnen und Fahrer können sich oben, bei der Bergstation des Tellerlifts, auf die Steilkurven der „Fun Slope“ wagen oder durch den Riesentorlauf rasen, der permanent ausgeflaggt ist. Mit solchen Attraktionen kann man auch etwas ältere Kids bei Laune halten, irgendwann aber gerät man im Familienskiland an dessen natürliche Grenzen. „Der Sessellift fehlt uns natürlich“, sagt Martin Sowa. „Dadurch fallen die Fortgeschrittenen komplett weg, die 14 oder älter sind.“

Dieses Manko habe aber auch sein Gutes, meint Manfred Gruber: „Die Kinder müssen hier keine Angst haben, dass sie von einem Erwachsenen zusammengeführt werden.“ Gruber, auf dessen Grund sich das Familienskiland befindet, ist Gesellschafter der Betreibergesellschaft und führt in der Nähe einen Biobauernhof, wo man auch „Urlaub am Bauernhof“ machen kann. Er sitzt auf der Terrasse der „Wechsel Lounge“, dem neuen Restaurant des Familienskilands, und erklärt das Ganzjahreskonzept für das Areal, das in der schneefreien Zeit zur „Familienarena“ wird. Gleich neben den Skiliften wurde ein Motorikpark mit 30 Stationen errichtet; links und rechts vom großen Förderband können Kleinkinder im Sommer einen Mini-Bikepark nutzen. Es gibt eine neue Sommerrodelbahn und „Coronas Ameisenpfad“ durch den Wald, in den nächsten paar Jahren sollen in der Gegend bis zu 60 Kilometer Mountainbike-Strecken zur Verfügung stehen. „Wobei unser Konzept nicht für Profi-Biker, sondern für Familien ausgerichtet ist, es wird auch einen E-Bike-Schwerpunkt für gemütliche Radfahrer geben. Wir bieten ein ganzjähriges Bewegungsangebot im Freien.“

Gut, aber noch ist ja Winter. Und da fragen sich viele Eltern: Wie lange dauert es, bis ein Kind Ski fahren kann? Und was kostet mich das? Das hängt natürlich davon ab, wie geschickt es sich anstellt, aber in der Skischule gibt es eine Faustregel: eine Stunde, ein Schwung. Die meisten sind demnach nach sechs Skikursstunden so weit, dass sie in St. Corona den halben Hang herunter kommen. In den Ferien werden Drei-Tage-Kurse angeboten, an Wochenenden Zwei-Tage-Kurse; eingeteilt werden die Gruppen nach Alter (3–5 Jahre, 6–14 Jahre) und nach Können (Anfänger, mäßig fortgeschritten, fortgeschritten). Die Kosten sind überschaubar: Der Wochenendkurs (zwei Mal drei Stunden) kostet 120 Euro, für die Liftkarte sowie den Verleih von Skiern und Skischuhen muss man für zwei Tage insgesamt rund 50 Euro einkalkulieren. Wenn die Faustregel „eine Stunde, ein Schwung“ stimmt, dann kostet ein erlernter Schwung also weniger als 30 Euro – das klingt nach einem fairen Deal.

Auch Helme können vor Ort geliehen, andere Utensilien wie Handschuhe, Skibrillen oder Skisocken zu kommoden Preisen erworben werden. Nähmaschinen hingegen werden nicht verliehen, das ist nur der Standard-Joke von Markus Hover, der im Skiverleih arbeitet und die Gäste gern mit dem Spruch „Ski wollen S’ ausborgen? Wir haben nur Nähmaschinen!“ begrüßt. Dass Hover aus Deutschland stammt, kann und will er nicht verleugnen („I bin a Piefke!“). Aber wie hat es ihn aus Koblenz nach St. Corona am Wechsel verschlagen? Der gelernte Koch arbeitete drei Jahre lang im Interconti in Wien, damals hat er eine Frau kennengelernt. „Die Frau gibt’s nimmer, aber ich bin noch da.“ 2014, als das alte Skigebiet geschlossen wurde, hat er in St. Corona die Almrausch-Hütte, bei der Bergstation des alten Sessellifts, übernommen. Und weil die Hütte jetzt logischerweise nur noch in der Sommersaison geöffnet hat, jobbt er im Winter beim Skiverleih im Familienskiland. Wo an machen Tagen so viel zu tun ist, dass er nicht einmal aufs Klo kommt.