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Veronika & Johannes Wagner-Pesendorfer

Zwischen Lassing- und Haupttürnitzrotte im niederösterreichischen Annaberg gibt es noch Forststraßen, die das Navi nicht kennt. Auf etwa 1000 Meter Seehöhe liegt der Stadlerhof der Familie Wagner-Pesendorfer.

Hier schlängeln sich Wanderwege mit klingenden Namen wie „Herzerlweg“ durch die Wälder. Hier liegt meterhoch der Schnee, während gut 100 Kilometer entfernt in Wien nur ein paar Flocken fallen. Als unsere Waden beim ersten Schritt knirschend im Weiß verschwinden, merken wir: Hier kommen wir mit unserem Schuhwerk nicht weit.

Veronika Wagner-Pesendorfer begrüßt uns mit einem festen Händedruck, den man der schlanken Frau im karierten Hemd nicht zugetraut hätte. Gemeinsam mit ihrem Mann Johannes und ihren Eltern betreibt sie den Stadlerhof, einen Bauernhof, und die Anna-Alm, die erste niederösterreichische „Genießerhütte“. Sie habe erst später mit uns gerechnet, sagt die Architektin. Ihr Mann Johannes hole gerade Benzin, sie müsse noch einmal kurz nach oben und mit dem Ältesten Trompete üben, entschuldigt sie sich. Wir werden mit einer Flasche Bio-Apfelsaft und Mineralwasser im Esszimmer allein gelassen.

Idyllisch, gemütlich, traditionell und doch modern: Es fällt schwer, den Stadlerhof ohne die Floskeln zu beschreiben, die in Tourismusbroschüren oft bemüht werden. An der Wand hängen Hirschgeweihe, im Regal steht selbstgemachte Zwetschgenmarmelade, auf dem Tisch flackern Kerzen. Draußen glitzert der Schnee wie Puderzucker auf dem Apfelstrudel. Bis auf die Tonleiter aus dem Obergeschoss herrscht Stille.

Dabei wirkt der Stadlerhof mit seinen hellen Räumen, der hüfthohen Marienstatue neben der Tür und den Kuhfellteppichen alles andere als kitschig. Hier wohnen eben zwei Architekten, die wissen, wie sie wohnen wollen. Und zwar so, „wie andere Urlaub machen“

Die 47-Jährige muss ein wenig ausholen, um zu erklären, warum zwei erfolgreiche Architekten nach zwanzig Jahren aus Wien fortzogen, um im abgelegenen Annaberg einen Bauernhof zu betreiben. Das erste Mal wird der Stadlerhof 1270 urkundlich erwähnt, nur einen Steinwurf vom heutigen Haupthaus entfernt liegen noch ein paar mittelalterliche Gesteinsbrocken unter der Erde. Seit Generationen befindet sich der Hof im Besitz der Familie Wagner. Veronika Wagner-Pesendorfer ist hier geboren und inmitten von Kühen, Hühnern und Heu aufgewachsen. Dass nicht ihr Bruder, sondern sie den Hof übernehmen würde, hätte sie sich als junge Studentin nicht gedacht.

Denn eigentlich will sie immer nur weg aus dem verschlafenen Annaberg: Nach der Matura verschlägt es sie für ein Jahr nach Boston, dann nach Wien, wo sie auf der Technischen Universität ihren Mann Johannes kennenlernt. In den 1990er Jahren arbeiten beide zunächst unabhängig als selbständige Architekten, später als Partner im gemeinsamen Büro in Wien. Während sie als Denkmalpflegerin arbeitet und Gebäude mit großen Namen wie das Looshaus am Michaelerplatz oder den Demel am Kohlmarkt renoviert, spezialisiert er sich auf Wohn- und Hotelbau. Auch der „Blue Tomato“-Shop in der Neubaugasse und das Dachgeschoss des Haus des Meeres sind Projekte aus ihrem Architekturbüro pumar.

Die Tür geht auf, Johannes Wagner-Pesendorfer putzt sich den Schnee von den Schultern. Der Ski-Doo sei aufgetankt, es könne losgehen. Rein in die Skihose und rauf auf die Anna-Alm, eine Blockhütte, die die beiden vor acht Jahren auf dem Hennesteck, dem höchsten Punkt des Skigebiets, gebaut haben und seitdem verpachten. Mit 140 PS geht es die Piste rauf. Etwa 67 Hektar Land gehören den Wagner-Pesendorfers. Für einen echten Bauern ein Schrebergarten, für zwei berufstätige Architekten und Teilzeit-Landwirte allerdings eine Menge Arbeit, brüllt Veronika durch den Fahrtwind.

Die Tür geht auf, Johannes Wagner-Pesendorfer putzt sich den Schnee von den Schultern. Der Ski-Doo sei aufgetankt, es könne losgehen. Rein in die Skihose und rauf auf die Anna-Alm, eine Blockhütte, die die beiden vor acht Jahren auf dem Hennesteck, dem höchsten Punkt des Skigebiets, gebaut haben und seitdem verpachten. Mit 140 PS geht es die Piste rauf. Etwa 67 Hektar Land gehören den Wagner-Pesendorfers. Für einen echten Bauern ein Schrebergarten, für zwei berufstätige Architekten und Teilzeit-Landwirte allerdings eine Menge Arbeit, brüllt Veronika durch den Fahrtwind.

Drinnen gibt es Frittatensuppe und Vanillesauce, in der der Apfelstrudel badet. Anders als bei anderen Blockhütten sorgt eine komplizierte Glas-Holz-Konstruktion dafür, dass viel Licht in die Anna-Alm fällt. Auch im Untergeschoss ist es hell. Mit Blick auf das Ötscherland können Gäste hier bald Wein trinken und Partys feiern.

Wieder sitzen wir auf dem Ski-Doo, es geht zum zweiten Objekt der Wagner-Pesendorfers. 2002 erfüllten sich die beiden einen Traum. Etwas abseits der Piste, etwa eineinhalb Stunden Fußmarsch vom Haupthaus entfernt, liegt die Stadleralm.

Eigentlich wollten die Wagner-Pesendorfers die Hütte nur für sich nutzen. Nun steht sie auch Besuchern offen, die müssen sich hier aber selbst versorgen. Die beiden Hausherren heizen lediglich vor und bringen auf Wunsch den Frühstückskorb vorbei, gefüllt mit Produkten aus der Region. Wenn er die Gäste mit dem Ski-Doo abgeliefert hat, sind sie auf sich allein gestellt – was für viele den Charme der rustikalen Hütte ausmacht, sagt Johannes Wagner-Pesendorfer.

2004 fiel dann die endgültige Entscheidung: Natur statt Großstadt. In Wien sei es schon stressig gewesen, sagt Veronika Wagner-Pesendorfer. „Ständig war ich am Rennen, wollte wegen den Kindern um vier am Nachmittag zu Hause sein, gleichzeitig aber meine Projekte weiterhin betreuen.“ Hier, in Annaberg, können sie ihre Eltern unterstützen. „Irgendwann hat das seine Eigendynamik entwickelt. Mir war wichtig, dass meine Kinder in der Natur aufwachsen und der Betrieb meiner Eltern weitergeführt wird.“Wenn die beiden Architekten über ihre Arbeit in Annaberg sprechen, fragt man sich, wie die beiden das alles schaffen. Schließlich bringen sie nicht nur ihre Ideen auf Papier. Für ihre Projekte am Annaberg haben die Wagner-Pesendorfers auch selbst mit angepackt, Holz und Steine von ihrem eigenen Grund herbeigeschafft.

Heute sei der Stadlerhof nicht wiederzuerkennen, erzählt Veronika Wagner-Pesendorfer. Hartplastik und Blumenfliesen wichen Holzböden und Naturstein. Ihr Design orientiert sich am traditionellen Baustil der Region, nie wirkt es überladen oder bemüht. Viele der Bauernmöbel haben sie vom Dachboden geholt und entstaubt, andere stammen von einem Antiquitätenhändler aus der Steiermark. „Wir haben das Haus so gelassen, wie es uns gemütlich und verträglich erschien. Wir wollen hier gerne wohnen. Und nicht, weil wir es müssen.“

Abgesehen von den Umbauarbeiten am Stadlerhof gibt es ja noch den ganz gewöhnlichen Alltag: Während ihr Mann unter der Woche im Architekturbüro in Wien arbeitet, kümmert sich Veronika Wagner-Pesendorfer um den Betrieb. Hin und wieder fährt auch sie nach Wien, besucht Baustellen und Kunden. Daneben muss die Stadleralm bewirtschaftet, der Wald beforstet, Pferde, Hühner, Wachteln und anderes Kleinvieh versorgt werden. Seit gut acht Jahren leben nun drei Generationen unter dem Dach des Stadlerhofs. Und weil er ein reiner Familienbetrieb ist, müssen alle mit anpacken – Oma, Opa und auch die drei Söhne. „Wenn einer von uns ausfällt, dann stockt die Maschine.“

Und die soll noch eine Weile so weiterlaufen. Ideen haben die beiden jedenfalls genug: Der Fischteich soll endlich dicht gemacht werden, da könnte man doch gleich ein paar Badehütten dazubauen. Auch abseits vom Stadlerhof gibt es viel zu tun: Soeben haben die beiden den Wettbewerb zum Bau des neuen Naturparkzentrums Ötscher-Tormäuer in Wienerbruck gewonnen. Bis 2015, wenn die Niederösterreichische Landesausstellung beginnt, soll das Projekt fertig sein.

Langsam wird es dunkel, der Ski-Doo parkt wieder in der Garage, wir schlüpfen aus der Skihose. Veronika Wagner-Pesendorfer muss sich wieder entschuldigen, die Pferde brauchen Futter. Wir steigen ins Auto, bleiben prompt im Schnee stecken und verweilen deshalb ein wenig länger in der Idylle als geplant. Das nächste Mal, schwören wir uns, kommen wir in besseren Schuhen.