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Bernd Scharfegger

Wer auf einem Berg steht, schaut auf die Welt herab. Das ist ein erhebendes Gefühl, viele Menschen sehnen sich danach. Wer es empfinden will, muss aber erst einmal rauf auf den Berg. Und hier scheiden sich die Geister. Für die einen ist der Weg das Ziel: Der Aufstieg kann ihnen gar nicht anstrengend genug sein, das Gipfelglück ist für sie eine Belohnung, die man sich erst einmal erarbeiten muss. Die anderen suchen das Bergerlebnis, wollen oder können aus eigener Kraft aber nicht aufsteigen. Für diese Menschen wurde vor mehr als 90 Jahren die Rax-Seilbahn gebaut.

Als sie am 9. Juni 1926 eröffnet wurde, war sie in Österreich die erste ihrer Art; die Hahnenkammbahn in Kitzbühel etwa folgte erst zwei Jahre später.

Weil das Alter aber nicht nur Würde und Ehre, sondern auch Abnützung und Ermüdung mit sich bringt, wurde die Seilbahn zu ihrem 90-jährigen Jubiläum einer gründlichen Verjüngungskur unterzogen. Dabei wurde die Technik komplett erneuert, die historische Substanz aber weitgehend erhalten. Die Tal- und die Bergstation stehen ohnedies unter Denkmalschutz, aber auch die fünf Seilbahnstützen durften bleiben. „Die Sachverständigen wollten die wegreißen“, erzählt Fritz Scharfegger, 78, der die Rax-Seilbahn seit knapp vier Jahrzehnten betreibt. „Dann habe ich ihnen bewiesen, dass von 900.000 Nieten keine einzige locker war! Dass wir den Umbau zusammengebracht haben, ist für alle anderen Seilbahnbetreiber sowieso eine Sensation. Die sagen: Wie war das möglich?“

Weil die Rax-Seilbahn Österreichs erste Personen-Seilschwebebahn ist, war sie auch die erste, die nach dem Seilbahngesetz von 2003 modernisiert werden musste. Alle neuen gesetzlichen Vorschriften mussten im Zuge der Konzessionserneuerung umgesetzt werden – ganz so, als handelte es sich um einen Neubau. „Da kommen nach und nach alle Seilbahnen dran, wir waren quasi das Versuchskaninchen“, sagt Fritz Scharfeggers Sohn Bernd, Geschäftsführer der Bahn. „Noch verwendbare alte Dinge mit der modernen Technik zusammenzufügen, war eine brutale Herausforderung. Die Firma Leitner hat es geschafft, die Ingenieure haben da Unglaubliches geleistet. Jetzt steht eigentlich eine neue Seilbahn in altem Gewand da.“

Die beiden Kabinen selbst zum Beispiel stammen aus dem Jahr 2002, das technische Innenleben aber wurde komplett erneuert. „Allein das hat 200.000 Euro gekostet.“ Und was hat sich dadurch verbessert? „Die Bahn fährt jetzt effizienter und ruhiger, wir können auch schneller fahren als vorher. Und der Wagenbegleiter steuert die Kabine selber. Vorher ist unten ein Maschinist gesessen, der steuern musste.“ Seilbahnen, das ist statistisch erwiesen, sind das sicherste Verkehrsmittel. Sie sehen nur nicht so aus. Und an dem Februartag, an dem wir mit Bernd Scharfegger mit der neuen Seilbahn auf die Rax gondeln, ist es recht windig. Leicht beunruhigend auch Scharfeggers Hinweis darauf, dass eine leichte Kabine besonders windanfällig ist: Wir sind nämlich insgesamt nur zu viert. Aber der Wagenbegleiter hat alles im Griff, er drosselt vor den Stützen das Tempo und führt uns sicher nach oben.

Das Entree in der Bergstation wurde im Zuge des Umbaus ebenso erneuert wie die Möblierung im daran angeschlossenen Berggasthof. „Die Herausforderung war, dass man von den 3,5 Millionen Euro, die in den Umbau geflossen sind, als Tourist eigentlich nix gemerkt hätte“, erklärt Bernd Scharfegger. „Also haben wir gesagt: Wir müssen auch optisch was tun.“ Dass heute wenig Betrieb ist, hängt vor allem mit der Jahreszeit zusammen: 80 Prozent des Geschäfts wird hier im Sommer gemacht, da kann es am Wochenende dann auch zu mehrstündigen Wartezeiten kommen; ein neues Online-Reservierungssystem soll dieses Problem lindern. Skifahren ist auf der Rax nur ein Nischenthema. Für die unpräparierte Schöllerabfahrt und die von Freeridern gern befahrene Lifttrasse gibt es nur ein, zwei Wochen im Jahr genügend Schnee; und der Ebenwald-Schlepplift oben auf dem Plateau war zuletzt vor vier Jahren in Betrieb. Dort ist das Problem, dass der Schnee so schnell verweht wird. „Wenn im November oder Dezember nicht ein guter Meter patzerter Schnee kommt, damit wir eine Grundlage haben, ist das fast nicht machbar“, sagt Bernd Scharfegger. „Wir hatten viel Borkenkäferbefall, viele Bäume mussten abgeholzt werden, und jetzt gibt es so Schneisen, in die der Wind richtig reinfährt.“ Für Skitouren ist das Gelände besser geeignet, wobei da wiederum viele Tourengeher die Mühen des Aufstiegs vermissen. Auf der Rax setzt man deshalb verstärkt auf Schneeschuhwandern. Man braucht dafür keine besonderen Kenntnisse, die Schneeschuhe kann man sich im Berggasthof ausleihen und dann stundenlang über das Plateau stapfen, zum Beispiel von Hütte zu Hütte. Die Faszination Schneeschuhwandern könne man mit Worten gar nicht beschreiben, findet Bernd Scharfegger. „Jedenfalls ist es mindestens so viel Gaudi wie Skifahren.“

Die Geschichte des Familienbetriebs Scharfegger begann Anfang der Siebzigerjahre in Prein an der Rax, mit der Pension Kaiserhof und dem Tanzlokal Preiner Stadl (beide gibt es immer noch). 1975 pachtete Fritz Scharfegger dann den Berggasthof. Und da lag es nahe, auch gleich die Seilbahn zu übernehmen. Das hochtrabend „Österreichische Bergbahnen GmbH“ genannte Unternehmen schrieb damals allerdings tiefrote Zahlen. „Für den Pimperlbetrieb gab es sechs Vorstandsmitglieder, einen Generaldirektor und ein 240-Quadratmeter-Büro am Opernring 8. Insgesamt waren da 17 Leute beschäftigt!“, erinnert sich der Seniorchef. Heute sind die Österreichischen Bergbahnen das eine Standbein des Familienimperiums. Das andere sind die Gastronomiebetriebe, zu denen außer den genannten das Café Reichenau, das Wellness-Seminarhotel Raxalpenhof in Prein und das Ottohaus auf der Rax zählen. Auch das Buffet für die Festspiele in Reichenau betreiben die Scharfeggers.

Ohne Seilbahn aber gäbe es das alles wahrscheinlich nicht. Sie ist der große Trumpf der Region, das Alleinstellungsmerkmal der Rax. „Steil raufwandern kannst du woanders auch“, sagt Bernd Scharfegger. „Und es ist halt nicht jedermanns Sache. Mit der Seilbahn bist du in acht Minuten heroben.“ Manche genießen dort dann nur ein bisschen die Aussicht und die frische Luft und setzen sich dann schnell ins Gasthaus, um sich für die Talfahrt zu stärken. Das mag etwas unsportlich sein, aber auch solche Rax-Besucher können mit Recht eine frohe Botschaft nach Hause schicken: Bin am Berg.